Im traditionellen Termin am letzten Juni-Wochenende und in der ersten Juli-Woche findet der 21. Jahrgang des Kammermusikfestivals Český Krumlov statt. Mit seinem einzigartigen Veranstaltungsort ist es diesmal schon mit dem Programm des Eröffnungskonzerts am Donnerstag, dem 28. Juni verbunden, als das Streichorchester Český Krumlov unter dem Taktstock Martin Pešíks neben den Kompositionen von Haydn, Elgar, Torelli und Franz Möckl im Maskensaal das Konzert für Oboe und Orchester Carlo Besozzis aufführte.
Carlo Besozzi (1738 – 1798) gehörte zu den bedeutendsten Oboisten des 18. Jahrhunderts und Solisten des berühmten Hoforchesters in Dresden, von dem die heutige Staatskapelle Dresden ihre Geschichte abwickelt. Für sein Instrument komponierte er zahlreiche Solo- sowie Kammerkompositionen (u.a. 24 Sonaten für 2 Oboen, 2 Waldhörner und 2 Fagotte) und Konzerte, die in Abschriften im Archiv des Krumauer Schlosses erhalten blieben. Neu nahm diese Konzerte der tschechische Oboist Jan Adamus auf, der sich ebenfalls an deren kritischen Herausgaben in der schweizerischen Edition Kunzelmann beteiligte.
Jan Adamus siegte im internationalen Oboe-Wettbewerb des Prager Frühlings im Jahr 1977. Bei demselben Festival führte er 1985 gemeinsam mit Josef Suk und Suks Kammerorchester das Doppelkonzert J. S. Bachs auf und 1997 führte er gemeinsam mit Talichs Kammerorchester und dem Dirigenten Andrew Constantin das Concertino für Oboe und kleines Orchester urauf, das für Adamus Jan Klusák komponierte. Seine Aufnahmen von Besozzis Konzerten aus dem Krumauer Archiv gemeinsam mit Suks Kammerorchester unter dem Taktstock Josef Suks wurden 1992 von Supraphon herausgegeben.
Der Freitag- und Samstagabend, der 29. und 30. 6., wurde in diesem Jahr gleich wie in den vergangenen Jahren für die Barocknacht vorbehalten. Im Mittelpunkt des Programms war diesmal das barocke Opernpasticcio PRAGA NASCENTE DA LIBUSSA E PRIMISLAO von Antonio Denzi (ca. 1690-post 1763) im Schlosstheater. Nach der erneuten Premiere des Werks aus der Produktion des Venediger Theaterunternehmers Antonio Denzi im Rahmen des Prager Frühlings 2004 im ehemaligen Sporck-Theater in Prag ertönt das Werk beim Festival in einer neuen Einstudierung. Der Autor der Rekonstruktion der Oper, von der nur das im Druck erschienene Libretto erhalten blieb, ist Robert Hugo, der darin die Musik Antonio Vivaldis und weiterer italienischer Komponisten, die von Denzis Gesellschaft am häufigsten aufgeführt wurden, benutzte. Für den tschechischen Hörer hat die Komposition vor allem wegen der ungewöhnlichen Ansicht der böhmischen Mythologie ihre Anmut. Außer den bekannten Gestalten von Přemysl, Libuše, Šárka und Ctirad treten hier noch fremde Adlige Chlodomír und Gustav auf, die sich mit der Unterstützung der ersten Ministerin Vlasta um die Machtergreifung in Böhmen bemühen. Die Handlung spielt teilweise in Vyšehrad und zum Teil auf der Baustelle der “Stadt von Libuše, später Prag genannt”.
Im Sonntagabendkonzert am 1. 7. in der Kirche St. Veit trug Drahomíra Matznerová die Orgelkompositionen J. S. Bachs und unter Mitwirkung des Trompeters Jiří Rejlek die Kompositionen von G. F. Händel, Antonio Vivaldi, Jeremiah Clark und John Stanley vor. Führende tschechische Cembalistinnen Edita Keglerová und Iva Štrynclová bereiteten für ihr gemeinsames Konzert am Mittwoch, dem 4. 7. im Prokyš-Saal der Krumauer Prälatur das Projekt Bach und Söhne vor. Neben den Kompositionen des Gründers des berühmten Geschlechtes für zwei Cembalos ertönen dabei die Werke seiner zwei Söhne Carl Philip Emanuel Bach und Johann Christoph Friedrich Bach.
Nach mehreren Jahren Pause kehrt auf die Bühne des Maskensaals auch der Präsident des Festivals Meister Josef Suk mit seinen jungen Musikfreunden zurück: Miroslav Ambroš (Geige), Karel Untermüller (Viola), Jiří Bárta (Violoncello) und Jan Simon (Klavier). Auf dem Programm des Konzerts stehen die Werke von Antonín Dvořák und Josef Suk und wieder schallt dabei das rare Harmonium vom Schlossmobiliar. Das Konzert widmen die Veranstalter der Stadt Český Krumlov anlässlich des 15. Jubiläums der Eintragung in die Welterbeliste der UNESCO.
Zum ersten Mal stellt sich beim Kammermusikfestival Český Krumlov die bedeutende schweizerische Violoncellospielerin Anita Leuzinger vor. Am Freitagabend, dem 6. 7. trägt die Solistin des auch bei uns gut bekannten Tonhalle-Orchesters Zürich unter Klavierbegleitung Anton Kernjaks die Kompositionen von Ludwig van Beethoven, Robert Schumann, Camillo Saint-Saëns, aber auch Leoš Janáček und Anton Webern im Maskensaal vor. Außer ihrer Spielkunst wird bestimmt auch ein Erlebnis sein, dem Klang des raren Violoncellos von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1698 zuzuhören, das ihr von der Stiftung Stradivari Habisreutinger geliehen wurde.
Am Samstagabend 7. 7. tritt beim Abschlusskonzert im Maskensaal die Südböhmische Kammerphilharmonie mit ihrem Chefdirigenten Stanislav Vavřínek auf. Zu Beginn erinnern sie uns mit der Suite Aus Holbergs Zeit an den 100. Todestag des Urhebers der norwegischen Nationalmusik Edvard Hagerup Grieg. Auf dem Programm ist ebenfalls die Sinfonie Nr.1 C Dur Carl Maria von Webers und noch vor der Pause trägt der Violoncellospieler Josef Páleníček die beliebten Variationen über ein Rokokothema von Peter Iljitsch Tschaikovsky vor.
Einen Punkt hinter dem 21. Festivaljahrgang macht nach diesem Konzert die ebenfalls bereits traditionelle Nokturne im Atrium des Hotels Růže, diesmal unter dem Motto Das Lied ist Sehnsucht mit Liebesliedern aus der Zeit der tschechischen Gotik, Renaissance, des Barock und Klassizismus in der Darbietung des Ensembles von Josef Krček Chairé.
Eine Abweichung vom Genre der klassischen Musik wird während dieses Jahrgangs der Dienstagabend 3. 7. im Areal des Brauereigartens sein. Dabei treten Antonín, Věra und Filip Gondolán und ihre begleitende Gondolán Band auf.