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Fotoatelier Seidel nach ersten Jahr der Rekonstruktion

Ein Jahr intensiver Arbeiten im Fotoatelier Seidel in Krumau hat große Änderungen gebracht. Dank der Kooperation des Objektinhabers - Českokrumlovský rozvojový fond, spol. s r.o. – mit vielen tschechischen, sowie ausländischen Partnern und dank großer  Summen aus den EU-Fonds, vom tschechischen Staat und von der Stadt Krumau wurden nicht nur im Haus mit dem Fotoatelier in der Linecká Gasse viele positive Schritte gemacht.

Rekonstruktion der Wandmalerei im Fotoatelier Seidel, Foto: © Lubor Mrázek Rekonstruktion im Fotoatelier Seidel, Foto: © Lubor Mrázek Rekonstruktion im Fotoatelier Seidel - ausgeräumtes Atelier, Foto: © Lubor Mrázek

Es ist vor allem gelungen, das einzigartige Glasdach des Fotoateliers mit Schiebescheiben zu reparieren, die im stark zerstörten Zustand waren. Gleichzeitig hat man mit intensiven Bauarbeiten die Sanierung und Rekonstruktion des Hauses der Familie Seidel begonnen. Vorher hat man aber den gesamten fotografischen Nachlass, Atelierausstattung sowie das Inventar des ganzen Hauses vollständig dokumentiert und in neue moderne Depositarräumlichkeiten in der Chvalšinska Straße transportiert.

Findbücher des Fotoateliers Seidel - Fundort Findbuch des Fotoateliers Seidel Nr. 3 aus dem Jahren 1890 - 1895 Findbuch des Fotoateliers Seidel - Beispiel der Evidenz

Beim Umzug des Mobiliars vom Fotoatelier Seidel ist es gelungen, den kompletten Satz von 31 Auftragsbüchern von Josef und Franz Seidel aus den Jahren 1884 – 1953 zu finden und zu ordnen. Es steht uns so die vollständige Evidenz des phänomenalen photographischen Werks zur Verfügung, welches 130 000 nummerierten, besonders Glasnegativen mit einer genauen Aufzeichnung der Entstehung enthält.

Famile von Josef Seidel,  © Českokrumlovský rozvojový fond spol. s r.o. Söhne von Josef Seidel, 20. Jahren des 20. Jahrhunderts,  © Českokrumlovský rozvojový fond spol. s r.o. Rekonstruktion einer baschädigten Glasplatte mit dem Negativ

Die Auftragsbücher werden durch anderen Schriftdokumente ergänzt, unter anderen durch die Evidenz der Ansichtskarten (mindestens 5 249 St.) und der Negative auf Kleinbildfilmen (Leica-Filme)  – laut Schätzung mindestens 7 200 St.

Insgesamt hat man also im Fotoatelier Seidel im Laufe von 69 Jahren mindestens 140 000 Aufnahmen geschaffen!

Die Rekonstruktion des Fotoateliers Seidel wird mit vielen unerwarteten Funden begleitet: So entdeckten zum Beispiel die Arbeiter bei einer Baumaßnahme einen Raum unter dem Küchenfußboden, in dem ungefähr 1500 Glasplatten waren. Dank der Nummerierung der Negative und den sorgfältigen Evidenzaufzeichnungen, die die Seidel´s bei jeder Fotografie durchgeführt haben, hat man festgestellt, dass „im Versteck“ Bilder von Ende der 30er und Anfang der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts  gefunden wurden. Wie und warum diese Bilder in das Versteck geraten sind, ist Gegenstand weiterer Forschung.

Das einzigartige Fotoatelier Seidel folgte eine weitere überraschende Entdeckung aus, 26.9.2006, Foto: Lubor Mrázek Das einzigartige Fotoatelier Seidel folgte eine weitere überraschende Entdeckung aus, 26.9.2006, Foto: Lubor Mrázek Das einzigartige Fotoatelier Seidel folgte eine weitere überraschende Entdeckung aus, 26.9.2006, Foto: Lubor Mrázek

Beim Umzug des Fotoateliers Seidel hat man zwischen weiteren Dokumenten und Schriftstücken unter anderem auch Franz Seidels Tagebuch gefunden (auf  Deutsch geschrieben). Es enthält zeitgemäße Kommentare, eigene Meinungen des Verfassers, es beschreibt Familienereignisse, Feste, Reisen, Ausflüge etc... Das Tagebuch umfasst eine fünfjährige Periode, in der Franz Seidel 9 – 14 Jahre alt war. Die Projektmitarbeiter  erwarten, dass während der weiteren Arbeiten noch weitere Seidel-Tagebücher entdeckt werden.

Ein anderer Fund bestätigt nur die Tatsache, dass Josef Seidel ein Wegbereiter der Farbfotografie war: Ein Beweis dafür stellt die dreimal aufgezeichnete Stadt Krumau aus einer Stelle dar, jedes Mal in einer anderen Farbkorrektur. Nach der Zusammensetzung und Überlappung aller drei Negative sieht man als Ergebnis eine Farbfotografie.

3-Farbfotografie von Josef Seidel - Fundort im Dachboden 3-Farbfotografie von Josef Seidel - 3 Negative für einzelne Farben 3-Farbfotografie von Josef Seidel - rekonstruierte Aufnahme

In Zusammenarbeit mit der namhaften Firma CD LAB aus Nürnberg wurden die ersten  tausend Glasnegative mit Fotografien von J. und F. Seidel und ferner alle 31 Auftragsbücher digitalisiert. Dadurch hat man gleichzeitig die Basis für eine Internet-Datenbank des fotografischen Werks der Seidels und die künftige Erschliesung des Bilderarchivs für die Öffentlichkeit gelegt. Die war vor allem dank des bayerischen Vereins Glaube und Heimat möglich, der die erforderlichen Finanzen sichergestellt hat.

Evidenz der Glasplatten im Dachboden des Fotoateliers Seidel, Foto: © Lubor Mrázek Verein „Glaube und Heimat“ unterstützt die Rettung des fotografischen Vermächtnisses von Fotoatelier Seidel mit einer Summe von 13.000 EUR , Foto: © Lubor Mrázek Präsentation der Arbeitsversion der Internet-datenbank des Fotoateliers Seidel, Foto: © Lubor Mrázek

Über die Absicht, beim Restaurieren des fotografischen Werkes ein vertieftes Wissen über den bildbestand zu erreichen, zeugt am besten die Anbahnung einer Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Sein Generalkonservator Prof. Dr. Egon Johannes Greipl hat die Ergebnisse der Analyse der Negativproben an diesem Samstag (25. 11.) dem Bürgermeister von Krumau Herrn Dipl-Ing. Luboš Jedlička übergeben.

Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege Prof. Dr. Egon Johannes Greipl und Vertreter des Verieines Glaube und Heimat Pfr. Siegfried Weber und Robert Baierl, Foto: © Lubor Mrázek Verein „Glaube und Heimat“ unterstützt die Rettung des fotografischen Vermächtnisses von Fotoatelier Seidel mit einer Summe von 13.000 EUR , Foto: © Lubor Mrázek Direktor von ČKRF spol. s r.o. Dipl.-Ing. Miroslav Reitinger und Vertreter des Verieines Glaube und Heimat Pfr. Siegfried Weber bei der Unterschrift des Kooperationsvertrages, Foto: © Lubor Mrázek

Aus den Dunkelkammern und dem Ateliers wurden am Ende März die ersten hölzernen Gegenstände zur Restaurierung übergeben. Bis jetzt wurden bereits neu bemalte Leinwände, fotografische Hintergründe und deren Holzrahmen restauriert. Es ist ebenfalls gelungen, die ersten vier Jugendstil-Beleuchtungskörper zu restaurieren. Die Handschriften, alte Belege, Post und Bücher  warten noch auf ihre Restaurierung.

Die breite Öffentlichkeit konnte heuer und vor einem Jahr einen kleinen Bruchteil des fotografischen Werkes von Josef und Franz Seidel sehen, und zwar nicht nur in der Tschechischen Republik, sondern auch in Österreich und Deutschland. 2007 wird das fotografische Können von Vaters und Sohn Seidel in drei großen Ausstellungen präsentiert: in Freistadt, im Nationalen Landwirtschaftsmuseum Prag, auf der bayerischen Landesausstellung, von der ein Teil auch in Krumau stattfinden wird.

Vertreter von Euroregionen Mühlviertel und Bayerischer Wald Romana Sadravetz und Kaspar Sammer, Foto: © Lubor Mrázek Bürgemeister der Stadt Český Krumlov Dipl.-Ing. Luboš Jedlička und Vertreter des Ministeriums für Regionale Entvicklung Dipl.-Ing. Tomáš Fiala, Foto: © Lubor Mrázek Interview mit der Autorin der Diplomarbeit „Historische Fotografie: Probleme der Materialerfassung und Auswertung am Beispiel Josef und Franz Seidels (1880er-1950er)“ Theresa Langer, Universität Passau, Foto: © Lubor Mrázek

Das Fotoatelier Seidel wurde sogar zum Gegenstand zweier Diplomarbeiten und ist im Zentrum der Aufmerksamkeit von TV-, Rundfunk-, sowie Filmteams.

Die Organisation Českokrumlovský rozvojový fond, spol. s r. o. (es handelt sich um eine 100% Tochtergesellschaft der Stadt Český Krumlov) erwarb das Haus mit dem Fotoatelier der Familie Seidel im Frühjahr 2005. Im Haus sind nahezu 140 000 Glasplatten sowie Zelluloidnegativen  erhalten, die eine wahrheitstreue Bildchronik vonm Böhmerwald und dem alltäglichen Leben im Grenzgebiet des vorigen Jahrhunderts darstellen. Auch die ursprüngliche Hauseinrichtung und vor allem die Einrichtung des fotografischen Ateliers mit vielen zeitgemäßen Geräten, Hilfsmitteln und Dekorationen ist erhalten geblieben. Bis 2008 sollte aus EU-Mitteln  das Fotoatelier Seidel zu einem einzigartigen Museum und später zum Zentrum der tschechisch – österreichisch – deutschen Verständigung werden.

Weitere Informationen:



Flagge der Europäischen Union     Das Projekt "Museum Fotoatelier Seidel Český Krumlov 1. - 3. Etappe“ wird vom Programm der Europäischen Union Interreg IIIA mitfinanziert.